Ausstellung

Kreuzkirche Eisenach

WELTENWECHSEL

Weltenwechsel – Der deutsch-russische Maler Georg Schlicht (1886 – 1964) zwischen Saratow und Eisenach

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Einen besonders nachhaltigen Eindruck hinterließ bei Georg Schlicht das Gemälde Baden des roten Pferdes des aus Saratow stammenden Malers Kusma Petrow-Wodkin (1878–1939). Dieses Bild war eines der Highlights auf der Ausstellung der Gruppe “Mir iskusstwa” (Welt der Kunst), die im November 1912 in den Räumen der Moskauer Schule für Malerei, Bildhauerei und Baukunst zu sehen war. Von Anfang an wurde dieses Bild, in dem Gestaltungsmerkmale der Ikonenmalerei mit modernen Elementen verbunden sind, als Sinnbild für in Russland zu erwartende Veränderungen wahrgenommen. Georg Schlicht nahm noch Jahre später immer wieder rote Pferde in seine Russland gewidmeten Bilder auf.  Das Jahr 1912 erwies sich auch privat als bedeutungsvoll für den angehenden Künstler. Ein Foto zeigt ihn so elegant wie ambitioniert in einem lichtdurchfluteten Sommerhaus bei Moskau beim Malen eines großformatigen Stilllebens, dessen überbordende Blumenpracht gleichzeitig auf Wohlergehen wie auf dessen Gefährdung verweist. Im selben Jahr heiratete Georg Schlicht Xenia Silina, die wie seine Mutter adeliger Herkunft war. Aus dieser Verbindung ging 1913 der gemeinsame Sohn Erich hervor. Georg Schlicht sah ihn jedoch erst 1924 in Eisenach zum ersten Mal, denn die Jungvermählte hatte ihren Mann bereits nach drei Monaten wieder verlassen.
1913 erlebte Georg Schlicht die mit großem Aufwand begangenen Feierlichkeiten zum 300. Jubiläum der Romanow-Dynastie, die in Moskau ihren Abschluss fanden. Der triumphalen Ankunft der Zarenfamilie folgten zahlreiche Veranstaltungen mit einer Vielzahl an Beteiligten und Zuschauern. Ihr Spektrum reichte von Volksfesten über Paraden, Bälle und Galadiners bis hin zu Ausstellungen, Prozessionen und Dankgottesdiensten. Ein Abglanz der imperialen Ikonographie mit der in der Öffentlichkeit zur Schau gestellten Pracht und der wiederholt zelebrierten Verbindung von sakraler und weltlicher Macht findet sich in späteren Werken von Georg Schlicht.

Georg Schlicht in einem Sommerhaus bei Moskau, 1912. Foto. Georg Schlicht-Stiftung, Eisenach

Georg Schlicht in einem Sommerhaus bei Moskau, 1912. Foto. Georg Schlicht-Stiftung, Eisenach