Ausstellung
Kreuzkirche EisenachWELTENWECHSEL
Weltenwechsel – Der deutsch-russische Maler Georg Schlicht (1886 – 1964) zwischen Saratow und Eisenach
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Neustart im russischen Berlin zu Beginn der 1920er Jahre.
Zwischen Februar 1920 und Mitte Juni 1922 lebte Georg Schlicht mehrheitlich in Berlin-Wilmersdorf, in der Detmolder Str. 13, wobei er im April 1920 auch in Ludwigsburg nachweisbar ist. Zweifelsohne setzte er auf die vielversprechenden Möglichkeiten im Berlin der Nachkriegsjahre. Zwar ist es heute unmöglich, den Bekanntenkreis von Georg Schlicht in Berlin zu rekonstruieren, doch agierte er nicht in einem Vakuum. Er bewies Flexibilität und profitierte von seiner Zweisprachigkeit, wobei er das Deutsche nie fehlerfrei beherrschen sollte.
Ab 1920 strömten Tausende von russischen Emigranten in die Stadt. Dank ihrer Goldrubel in der Zeit der Inflation und ihrer Bildung entfalteten sie, auch wenn sie weitgehend unter sich blieben, ein reges kulturelles Leben mit eigenen Verlagen und Theatern. Im Unterschied zur Mehrheit der russischen Emigranten, die es perspektivisch nach Frankreich zog, betrachtete Georg Schlicht Berlin nicht als Übergangsstation. Er wollte sich wie der ebenfalls aus Saratow stammende Nikolai Sagrekow (1892–1992), der zwei Jahre später nach Berlin kam, im Geburtsland seines Vaters eine Existenz als Künstler aufbauen.
In seinem 1920 entstandenen, ambitionierten Selbstbildnis mit Hl. Georg, der den Drachen besiegt, ließ Georg Schlicht keinen Zweifel daran, dass er sich als Künstler in höherer geistiger und ästhetischer Mission unterwegs sah.
Sowohl in der ikonographischen Anlage des Bildes als auch in Kolorit und malerischem Duktus halten sich Tradition und eine moderne Auffassung die Waage. Die als Kniestück sichtbare schlanke Gestalt im eleganten schwarzen Anzug steht mit Pinseln und Palette in der Hand vor einem Spiegel und wendet sich dem Betrachter mit einem Ausdruck ernster Sammlung zu. Seinem entrückt wirkenden Profil im Spiegel neigen sich im ornamentierten und facettierten Hintergrund der flammend rot gewandete und mit einem golden schimmernden Heiligenschein ausgestattete Heilige, der Namenspatron des Künstlers, und dessen lebhaft tänzelnder Schimmel zu. Der blaue Stein am Zeigefinger seiner rechten Hand hat ein größeres, kostbar gefasstes Pendent in der linken oberen Ecke des Bildes. In diesem räumlich unbestimmten, aber koloristisch verheißungsvollen Ambiente erscheint der Künstler als Seher und Mittler zwischen der irdischen und der himmlischen Welt, geadelt durch seine Tätigkeit und beschützt durch höhere Mächte.