Ausstellung
Kreuzkirche EisenachWELTENWECHSEL
Weltenwechsel – Der deutsch-russische Maler Georg Schlicht (1886 – 1964) zwischen Saratow und Eisenach
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Ein weiterer, 1922 aus St. Petersburg nach Berlin übergesiedelter Verleger wusste Georg Schlicht als Illustrator ebenfalls zu schätzen. Der Verlag Otto Kirchner & Co. wartete in den zwei Jahren seiner Existenz einerseits mit Belletristik, politischen Schriften und Memoiren, andererseits mit anspruchsvoll illustrierten Ausgaben auf. Bereits 1922 brachte er eine zweisprachige Ausgabe des Märchens Höcker-Rösslein von Pjotr Erschow in der Übersetzung des österreichischen Arztes E. B. Straßburger mit Illustrationen von Georg Schlicht heraus. Das Buch gehört zu den Höhepunkten russischer Buchkunst in der Emigration und im Schaffen von Georg Schlicht.
Es zeichnet sich durch ein ausgewogenes Spiel zwischen Text, Bild und ornamentalem Schmuck aus. Die nach Federzeichnungen und Aquarellen gefertigten Illustrationen leben von der Kombination aus Stilisierung und realistischen, erzählerischen Momenten. Georg Schlicht schöpfte hier aus seiner Vertrautheit mit der folkloristischen Ausrichtung des russischen Jugendstils, wie er sich in Abramzewo bei Moskau und in Talaschkino bei Smolensk entwickelt hatte. Elemente bäuerlicher Schnitzereien mit Tiermotiven und geometrischer Ornamentik sowie florale Muster kostbarer orientalischer Stoffe, die seit dem 16. Jahrhundert vermehrt nach Russland gelangten und den dortigen Geschmack prägten, spielen darin eine wichtige Rolle. Letztere variierte Georg Schlicht wiederholt in Entwürfen für andere Buch-und Zeitschrifteneinbände.
Die von August 1921 bis 1926 in Berlin und Paris monatlich erscheinende zweisprachige (Russisch und Deutsch) Zeitschrift “Жаръ птица Jar Ptiza” gilt mit der Eleganz ihrer Ausstattung mit Werken von bekannten Künstlerinnen und Künstlern und mit Texten namhafter Autoren bis heute als die eindrucksvollste Zeitschrift der russischen Emigration. Ihr Herausgeber, Alexander Kogan (1871–1946), war auch Inhaber des Verlages Russkoe Iskusstwo (Russische Kunst), der Kunstbände herausgab, und beriet Redaktionen deutscher Zeitschriften. Weniger bekannt ist, dass er mit dem Erlös seiner Aktivitäten auch die sowjetische Buchproduktion finanziell mit unterstützen sollte. Sein Credo bestand darin, den elitären Geist der “Welt der Kunst”, der einfluss-reichsten Künstlergruppe des russischen Silbernen Zeitalters, und den Exotismus der Ballets Russes in die Gegenwart hinüberzuretten und auch in Deutschland populär zu machen. Ganz unbekannt war die “Welt der Kunst” in Berlin nicht, denn 1907 waren ihre Mitglieder auf der von Sergei Djagilev organisierten Ausstellung “Russische Kunst” in der Galerie Schulte prominent vertreten gewesen.